Antibiotika richtig gebrauchen

Warum ist das so wichtig?

Antibiotika richtig gebrauchen: Wichtig für das Individuum und die Gesellschaft!

Beim Vortragsabend im Pastoralzentrum in Bozen haben Dr. Leonardo Pagani, Facharzt in der Abteilung für Infektionskrankheiten am Krankenhaus Bozen, und Dr. Richard Aschbacher, Biologe im Betrieblichen Labor für Mikrobiologie und Virologie, ausführlich und anschaulich über Antibiotikaresistenzen und den richtigen Gebrauch von Antibiotika gesprochen.

 

Wussten Sie, dass der Mensch über zumindest gleich viele Bakterien wie menschliche Zellen verfügt?

Die gesamte Bakterienmasse in der sogenannten Mikrobiota eines Menschen wiegt rund 200 Gramm und auf und im Menschen befinden sich Hunderte von Bakterienarten. Ein Großteil der Bakterien der Mikrobiota sind allerdings „gute“ Bakterien, die wichtige Funktionen bei der Verdauung, der Reifung des Immunsystems und der Abwehr von krankmachenden Bakterien ausüben. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Bakterien, die mit Antibiotika bekämpft werden müssen, wenn ihre unkontrollierte Vermehrung schwere Infektionskrankheiten verursacht.

 

Antibiotika sind „Wunderwaffen“ im Kampf beispielsweise gegen bakterielle Hirnhautentzündungen, Lungenentzündungen oder Hautinfektionen. Diese Wunderwaffe stumpft aber leider zunehmend ab, weil viele Bakterien im Laufe der Zeit die Fähigkeit entwickelt haben, resistent gegen verschiedene Antibiotika zu werden. Diese Resistenzen werden schon seit Jahren als weltweite Gefahr und globaler Notstand angesehen, und zwar sowohl im menschlichen als auch im tierischen und im Umweltbereich. So waren laut der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2023 weltweit rund 1,27 Millionen menschliche Todesfälle direkt darauf zurückzuführen. Ein bewussterer Umgang mit Antibiotika kann dazu beitragen, diesem Phänomen Einhalt zu gebieten.

 

Facharzt Leonardo Pagani hatte dafür folgenden Lösungsansatz: „Genau hinschauen, beobachten und vor jedem Einsatz überlegen, ob dieser sinnvoll ist!“

Richard Aschbacher warnte ebenfalls vor sogenannten „Superkeimen“, denen die meisten Antibiotika nichts mehr anhaben können und die deshalb als „vielfach-resistent“ bezeichnet werden. Leider sind derartige vielfach-resistente Bakterien in Italien wesentlich häufiger nachweisbar, wenn die Situation mit anderen europäischen Ländern verglichen wird.

 

Ausnahme Südtirol

Südtirol stellt glücklicherweise innerhalb Italiens eine Ausnahme dar: Bei uns sind vielfach-resistente Keime im Vergleich zur Gesamtsituation in Italien insgesamt wesentlich seltener nachweisbar. Einer der Gründe dafür liegt darin, dass Südtirol den niedrigsten Antibiotikaverbrauch aller Provinzen und Regionen Italiens aufweist, zudem geht der Trend zur Einnahme in Südtirol in den letzten 10 Jahren nach unten. Allerdings ist der Antibiotikaverbrauch nur eine der Ursachen für die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Leonardo Pagani warnte, dass Antibiotika nicht leichtfertig eingenommen werden sollen, vor allem bei einer nicht „echten“ Infektion.

Dabei ist es nicht einfach, sich abzuschotten, denn vielfach-resistente Bakterien können durch die Mobilität und durch den Handel leicht Landesgrenzen und sogar Kontinente überwinden: Eine „Mitschuld“ trifft hier auch die Viehzucht, in der vor allem in Entwicklungsländern heute noch eine große Menge an Antibiotika weltweit eingesetzt wird.

 

Einfach, aber wichtig: Hände waschen!

Zuletzt gab Dr. Pagani dem Publikum einen einfachen Tipp, den jeder beachten kann, um der Verbreitung von resistenten Bakterien Einhalt zu bieten: „Waschen Sie sich die Hände!“ Denn antibiotikaresistente Keime werden vor allem durch direkten Kontakt übertragen.

Auch das bekannte „Robert-Koch-Institut“ in Deutschland warnt: „Wenn ein Antibiotikum seine Wirkung verliert, ist prinzipiell jeder gefährdet. Die Entstehung von Antibiotikaresistenzen kann nicht verhindert, sondern höchstens verlangsamt werden. Antibiotikaresistenzen nehmen weltweit zu. Sie sind eine der größten Heraus­forderungen für die globale Gesundheit dieser Zeit“.

Neben den beiden Ärzten hat auch eine Patientin über ihre Erfahrungen mit antibiotikaresistenten Bakterien und deren erfolgreiche Behandlung im Krankenhaus von Bozen berichtet. Es folgten Fragen aus dem Publikum, welche von den beiden Fachmännern detailliert beantwortet wurden.

 

  • Antibiotika und Antibiotika-Resistenzen in Südtirol
    Dr. Richard Aschbacher
    Antibiotika sind Medikamente, welche für die Behandlung von bakteriellen Infektionen verwendet werden. Allerdings haben Bakterien die Fähigkeit, resistent gegen Antibiotika zu werden, weshalb vorher wirksame Antibiotika nicht mehr verwendet werden können. Leider ist Italien eines der europäischen Länder mit häufigen Antibiotika-Resistenzen. Im Laufe des Abends wird die Situation in Südtirol mit der italienischen und europäischen Durchschnittssituation verglichen.
  • Antibiotikaresistenz als globaler Gesundheitsnotstand
    Dr. Leonardo Pagani
    Die Antibiotikaresistenz wird schon seit Jahren als Gefahr und globaler Notstand angesehen, und zwar sowohl im menschlichen, tierischen und im Umweltbereich. Sie breitet sich nicht nur innerhalb von Gesundheitseinrichtungen aus, sondern ebenso über die Umweltverschmutzung, Abwässer und die tierischen Produkte. Ein bewussterer Umgang nicht nur mit Antibiotika, sondern auch mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen, kann in jedem Fall dazu beitragen, diesem Phänomen Einhalt zu gebieten. Innerhalb weniger Jahrzehnte könnte es auch für einfache Infektionen kein wirksames Heilmittel mehr geben, sodass wir einen Rückfall in prä-antibiotische Zeiten befürchten müssen.

Mit

Dr. Leonardo Pagani
Facharzt in der Abteilung Infektionskrankheiten am Krankenhaus Bozen
  • Medizinstudium an der Universität Parma
  • Ausbildung zum Facharzt in medizinischer Onkologie an der Universität Parma
  • Ausbildung zum Facharzt für Infektionskrankheiten an der Universität Pavia
  • seit 2019 verantwortlich für die einfache Struktur „Antimicrobial Stewardship” bei der Abteilung Infektionskrankheiten am Krankenhaus Bozen
  • seit 2019 Leiter des betriebsweiten Projektes des Südtiroler Gesundheitsbetriebes „Antimicrobial Stewardship”
Dr. Richard Aschbacher
Biologe im betrieblichen Labor für Mikrobiologie und Virologie
  • Magister der Mikrobiologie an der Universität Innsbruck
  • Spezialausbildung in Mikrobiologie und Virologie im Labor für Mikrobiologie und Virologie der Medizinischen Fakultät, Universität Bologna
  • Master-Kurs in Molekularbiologie der Infektionskrankheiten, London School of Hygiene and Tropical Medicine, University of London
  • Mikrobiologe in der Abteilung Bakteriologie des Betrieblichen Labors für Mikrobiologie und Virologie, Sanitätsbezirk Bozen (Primarin: Dr.in Elisabetta Pagani)
  • Verantwortlicher der einfachen Struktur: Labordiagnostische Strategien zur Identifikation von Bakterien und das Follow-up der Antibiotikaresistenzen
S.F.
Betroffene

BOZEN, Pastoralzentrum, Domplatz 2
21.11.2024, 20.00 Uhr